Dienstag, 10. November 2015

2. Platz in der Kategorie Kurzgeschichte im fun-for-writing Schreibwettbewerb 2015

Hier ein Auszug aus meiner Kurzgeschichte "Marcela", die den 2. Platz im fun-for-writing-Schreibwettbewerb 2015 erreichte.


... Ich fuhr zum Tauchen, zum Entspannen und um der Natur Willen hierher, wollte das Land erleben. All das tat ich in den vergangenen drei Wochen, warum also nicht auch die Landschaften einer Tica erkunden und die Erinnerung daran als namenloses, unsichtbares Souvenir mit nach Hause nehmen? Sie flüsterte Pura Vida in mein Ohr und bedeutete mir, ihr zu folgen. 
Mein Kumpel winkte kaum sichtbar mit der Imperial-Bierdose in seiner Hand und zog ab. Ich folgte diesem unbekannten schlan­ken Wesen und vergaß fast darauf zu achten, wo sie mich hin­führte. Ich lief ihr nach wie einer Illusion, wie ein dämli­cher Träumer und stierte die ganze Zeit auf ihren kleinen Popo. Pura Vida! Diesen Engel wollte ich für mich. Nach fünf Minuten erreichten wir ein seltsam schiefes Haus an einer ver­kehrsreichen Kreuzung. Ich erwartete ein schäbiges Apartment, war dann aber überrascht über das stilvoll, puristisch mö­blierte Zimmer mit nur einem winzigen Fenster. Durch die schwere Luft in diesem Zimmerchen wurde ich schläfrig und set­zte mich schwerfällig in ihren braunen Ledersessel, der Alkohol begann zu wirken. Mit einem Mal stand sie nackt vor mir. Ich kniff die Augen zusammen, mein Gehirn war verklebt von den vielen Rum-Shots. Ein bisschen bescheuert kam ich mir schon vor, als ich das nackte Mädchen nach einer Coke fragte. Mir war übel. Sie warf sich rasch einen hauchdünnen mintgrünen Umhang über und verließ nach einem erneuten leisen Pura Vida und einem flüchtigen Kuss auf meine Stirn das Zimmer. Nach fünf Minuten kam sie mit zwei Dosen zurück, lächelte verlegen und setze sich behände im Lotussitz auf den Teppich. Sie schaute wie eine junge Katze zu mir auf, erwartungsvoll, ver­spielt, irgendwie unheimlich, vielleicht auch traurig. Wir sprachen Englisch miteinander. Sie stellte sofort die Frage, ob wir Sex miteinander haben wollen. Ich gab ihr zur Antwort, dass ich keinen hochkriegen würde. Sie errötete. Da war es wieder ihr Pura Vida. Um ihr die Scham zu nehmen, zuckte ich mit den Schultern, etwas anderes fiel mir nicht ein. Ich dach­te an Bachs Violinkonzerte, um mich zu beruhigen. In meinem gebrochenen Englisch erzählte ich ihr, dass ich viele Freun­dinnen hatte, dass unsere Beziehungen früher oder später aber immer an meiner Potenz scheiterten. Am Anfang hieß es meist, sie würden auch ohne Sex auskommen, aber irgendwann reichte ihnen die einseitige Befriedigung nicht mehr aus. Das Tica-Mädchen fragte, warum er nicht stehen würde. Tja, die Ursache kannte ich selbst nicht. Ich bekomme keinen hoch – so einfach ist das. Mehr kann ich nicht sagen. Sie wirkte nun nicht mehr ganz so verlegen und stellte mir unzählige Fragen. Es muss doch einen Grund haben! Hast du Angst vor Frauen? Nun musste ich lachen. Ich habe keine Angst vor Frauen. Ich liebe Frauen. Wann ich meinen letzten Orgasmus hatte, wollte sie wissen. Also erzählte ich ihr von einer schäbigen Kinoerfahrung, die ich kurz vor meinem Urlaub machte. ...

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