Montag, 20. Oktober 2014

Côte d'Azur

Am Anfang war das Klischee: An der Côte d'Azur tummeln sich wohlhabende Menschen, die auf hohem Niveau faulenzen und sich abends auf noblen Partys amüsieren. Hier und da ein bisschen Shopping, das neue Auto präsentieren, hip sein und zu den Filmfestspielen gehen, um Champagner zu trinken und ein bisschen unverbindlichen Smalltalk zu führen. Ich hasse Smalltalk, mag keinen Champagner, habe kein Geld und bin trotzdem an der Côte d'Azur gewesen. Und ja, die Klischees stimmen. Es geht aber auch ohne Château Lafitte, ohne Smalltalk, ohne Geld. Ok, letzteres stimmt nicht ganz. 

Es ist aber durchaus möglich, an der Côte d'Azur mit wenig Urlaubsbudget über die Runden zu kommen. Für eine Ferienwohnung (nicht in Saint-Tropez, Nizza oder Cannes, dritte Hotelreihe) oder auf einem Campingplatz bezahlt der weniger vermögende Tourist moderate Preise wie auch andernorts am Mittelmeer.

Empfehlenswert ist zum Beispiel der kleine Küstenort Juan les Pins westlich von Antibes. Dort wird einem beim morgendlichen Brötchenholen natürlich nicht Johnny Depp über den Weg laufen, das ist aber ok, weil man früh meist sowieso niemanden treffen möchte. Warum Brötchenholen? Weil Selbstversorgung auf dem Programm steht. Mit Croissants, Baguette, Obst und Gemüse kommt man gut über den Tag und wenn es einen dann doch irgendwann rappelt, tut der Cocktail in der Bar für wenigstens 15 Euro nicht so weh, weil das Supermarkt-Bier den Gelbbeutel vorher geschont hat. Die Verpflegung wäre also geklärt. Mit Schnittchen im Rucksack kann nun der ein oder andere schicke Fleck Erde erkundet werden. 

In Juan les Pins ist alles sehr überschaubar und nett. Der Strand ist lang und schmal, so richtig Urlaubsfeeling kommt nicht auf, weil alle paar Minuten ein Zug vorbeidonnert. Abends ist es ruhiger. Da, wo am Tag geangelt wird, kann der träumende Reisende seinen Blick gen Sonnenuntergang richten, süffiges 1664 schlürfen und das weiche Licht genießen. Vorsicht Romantik! Es ist nicht unüblich, dass man sogar ein üppiges Feuerwerk geschenkt bekommt, weil irgendwo jemand auf seiner Yacht einen Grund zum Feiern hat.

Ein Spaziergang nach Antibes, immer an der Promenade oder am Strand entlang, muss sein. Antibes ist einfach schön! Das Fort Carré liegt anmutig direkt am Hafen und sieht sowohl von innen als auch von außen bezaubernd aus. Das zarte Beige der Festung bildet einen wunderbaren Kontrast zum azurblauen Meer und Himmel. Picasso zu seiner Zeit wusste diesen Anblick höchstwahrscheinlich auch sehr zu schätzen. Er besaß ein Atelier in Antibes. Heute existiert deshalb im Château Grimaldi ein gut klimatisiertes Picasso-Museum. Klimaanlage hin oder her, die richtige Abkühlung gibt’s im Meer. Direkt in der Altstadt befindet sich ein kleiner familienfreundlicher Strand in einer ruhigen Bucht. Geneigte Schnorchler können sich hier einfach treiben lassen. Und es lohnt sich! Das Wasser ist sehr klar und der ein oder andere größere Fisch kommt auch mal vorbei. Die Altstadt und der Hafen laden danach noch zu einem entspannten Bummel ein. Aus den zahlreichen Restaurants in den Gässchen duftet es nach Gegrilltem, die kleinen Balkone sind liebevoll mit Blumen geschmückt und die mediterrane Luft macht beschwingt. Herzlich Willkommen im Urlaub!

Westlich von Juan les Pins liegt Cannes. Eine Dreiviertelstunde dauert die Busfahrt, zwei Stunden der Fußmarsch. Hier erfüllen sich die meisten Côte d'Azur-Klischees: mondäne Läden, ein bombastischer Hafen, Luxushotels wie das Carlton Intercontinental. In Cannes kann es schon eher passieren, dass Johnny Depp an dir vorbeiläuft. Einige Touristen sehen aus wie Journalisten mit viel zu teuren Kameras, wahrscheinlich weil sie auf Johnny warten. Nichtsdestotrotz ist ein Besuch lohnenswert, der Strand ist ok und beim Herumspazieren sieht man viele bunte Vögel, die vorgeben berühmt zu sein. Vielleicht sind sie es sogar. Eine Bootsfahrt zu einer der vor Cannes liegenden, unbewohnten Inseln ist außerdem eine super Idee, wenn man gerade mal da ist. Auf Sainte-Marguerite zum Beispiel ist ein Inselrundgang mit Schnorchel- und Schwimmstopps eine super Sache. Außerdem kann die tolle Aussicht auf das hügelige Festland bestaunt und das Staatsgefängnis in der Fort Royal im Norden der Insel besucht werden. Dort war der sagenumwobene Mann mit der eisernen Maske eingesperrt. Allein die Bootsfahrt lohnt sich, weil es passieren kann, dass jemand via VIP-Helikopter von seinem Privatschiffchen aufs Land zum Diner gebracht wird oder die zweitgrößten Yacht der Welt („Eclipse“) von Roman Abramowitsch gerade neben dir in den seichten Wellen schaukelt. Abramowitsch ist ein russische Milliardär, Besitzer mehrerer Yachten, des Fußballclubs Chelsea und eines Schlosses in der Nähe von Antibes. Klar, da fährt er eben mal mit seiner Yacht vor und guckt nach seinem Schlösschen. So läuft das an der Côte d'Azur.

Cannes ist im Gegensatz zu Monaco wirklich „down to earth“. Wer die volle Ladung Snob & Schnösel wünscht und kurz die EU verlassen möchte, sollte das Fürstentum Monaco nicht verpassen. Von Juan les Pins sind es rund 50 km bis in den klitzekleinen Stadtstaat, wo materielle Werte dein Leben bestimmen und die Serie „Reich und Schön“ 24 Stunden live nachgestellt wird. Hier kann man sein Auto getrost offen stehen lassen, es gibt so viel Gendarmerie, dass niemand auf die Idee käme, damit wegzufahren. Monaco ist ziemlich klein und liegt am Hang, deshalb wurde vor allem in die Höhe gebaut. Alles in allem wirkt es sehr voll, ungemütlich und von Touristen mit noch teureren Kameras bevölkert, aber - und vielleicht gerade deshalb - irgendwie faszinierend. Cool ist der Circuit de Monaco. Wer Formel 1 oder Need for Speed liebt, ist hier glücklich, weil er die schnieke Strecke mit eigenen Augen sehen kann. Alle, die Touristenmassen nicht ausstehen können, sollten den völlig überbewerteten Place du Casino im legendären Monte Carlo, den prallen Yachthafen und die auf einer Anhöhe liegende Altstadt mit dem Fürstenpalast und den engen Gassen mit Souvenirläden meiden. Etwas abseits der Altstadt lassen sich auch ruhigere Ecken finden. In den üppigen bunten Gärten kann man seine Schnittchen essen und die majestätische Aussicht auf das Meer genießen. 

Sicherlich könnten diesen Ausflügen noch weitere nach Nizza oder Saint-Tropez folgen, vielleicht ist Johnny Depp ja gerade dort zugange. Immerhin hat er wohl in der Nähe von Saint-Tropez ein Häuschen. Aber eigentlich reicht an dieser Stelle der Einblick in die Welt der Reichen und am Ende ist das Mittelmeer an der Côte d'Azur nicht blauer als in Italien, der Fisch nicht besser als in Portugal, die Touristenhochburgen sind nicht schicker als in Spanien, die Strände nicht weißer als in Griechenland, also zunächst einmal adieu Côte d'Azur!
Antibes
Antibes
Juan les Pins, Yacht "Eclipse"
Monaco, Place du Casino Monte Carlo 
Monaco 
Monaco
Monaco, Hafen
Monaco
Cannes
Sainte-Marguerite
Cannes, Hafen
Cannes, Promenade

1 Kommentar:

  1. Wusste gar nicht, dass du dort warst. Wundervoll geschrieben. Hoffe du hattest eine großartige Zeit.
    Bin gespannt auf deinen ersten Reiseführer. ;-)

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