Dienstag, 14. April 2020

Camino del Norte – Folge dem gelben Pfeil in dir III

Jetzt, da unsere Pilgerpläne für den Camino Portugues im Herbst 2020 durch die Corona-Pandemie erst einmal auf Eis liegen, ist es umso schöner, die Gedanken von zu Hause aus an die spanische Nordküste abdriften zu lassen. Freiheit definiert sich diese Tage anders als wir Generation Y - Menschen es kennen. Freiheit liegt jetzt in den kleinen Dinge, die wir sonst für selbstverständlich gehalten haben: der geöffnete Bäcker am Feiertag, Kaffee aus der Thermoskanne am See, der zum Glück noch im Radius des Wohnortes liegt, ein eigener Balkon, auf dem wir die Sonne und ein gutes Buch genießen können. Ich bin nicht nur dankbar für die Umstände, unter denen ich Corona erlebe, sondern auch für das WIR und dafür, dass wir gesund sind. Und trotzdem klopft das Fernweh nahezu täglich an. Ich bin auf der Welt zu Hause und darf gerade nur den Hausflur betreten. Freiheit beginnt diese Tage im Kopf. 

Die Corona-Pandemie und das Pilgern: Darf ich derzeit pilgern gehen?


Für alle, die dieses Jahr einen der Jakobswege bestreiten wollen, stellt sich die Frage: Geht das? Viele Pilger-Experten raten gerade davon ab. Ich stimme ihnen uneingeschränkt zu. Die Situation ist besonders in Spanien noch sehr angespannt. Der Flugverkehr ist eingeschränkt, die Ausgangssperre wurde unlängst bis zum 27. April 2020 verlängert. Auch danach wird sich das Land nur langsam wieder öffnen. 
Die Pilgerherbergen sind größtenteils sehr klein, allein die Abstände der Betten nicht ausreichend, um sich gut zu schützen. Da die Refugios ehrenamtlich geführt werden, stelle ich mir auch den Mehraufwand durch Desinfektion und zusätzliche Reinigung extrem schwierig vor. Es ist wie mit jedem Tourist: Viele Regionen Spaniens sind auf Besucher angewiesen, aber jeder Tourist, der sich infiziert, belastet auch das so schon krankende Gesundheitssystem umso mehr. Gerade beim Radpilgern können Unfälle passieren und selbst diejenigen, die zu Fuß pilgern, werden auf den letzten 100 km bis nach Santiago viele Gleichgesinnte treffen. Dort pilgern normalerweise ganze Gruppen und Schulklassen. Von Sicherheitsabständen kann da kaum die Rede sein. Momentan sind – wie auch hierzulande – die Kirchen geschlossen. Die Kathedrale von Santiago de Compostela ist da nicht ausgeschlossen. Selbst für ungläubige PilgerInnen ist ein Besuch dieser ein Höhepunkt am Ende der langen Reise. Daher rate ich zu Geduld und wünsche uns allen, dass das Pilgern vielleicht schon im Herbst dieses Jahres wieder möglich ist. 
Es wird sich zeigen, wie die Herbergen mit der Corona-Pandemie umgehen. Sollte der Betrieb wieder aufgenommen werden, empfehle ich, diese auch zu nutzen! 


Die Kathedrale von Santiago de Compostela ist derzeit aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen.  


Ein echter Pilger übernachtet in der Herberge. Zumindest meistens.


Mit Sauna und FKK aufgewachsen, schreckten uns gemischte Sammelunterkünfte nicht ab. Es ist ganz klar gewöhnungsbedürftig, mit wildfremden Menschen in einem kleinen Raum zu nächtigen, aber geübte Oropax-Nutzer und Menschen ohne Schlafprobleme werden es gut überstehen. „Interessant“ waren die gemischten Bäder in einigen Herbergen. Es gab nur wenige männliche Personen, die die Toiletten dreckig hinterlassen haben. Aber es gab sie. 
Alle Herbergen, die wir aufsuchten, waren trotz der Vielzahl an Gästen größtenteils sauber, die Matratzen bequem und die Räumlichkeiten zwar sporadisch, aber völlig ausreichend. Wir haben keine einzige Bettwanze gesehen/gefühlt, nur einmal im altehrwürdigen Kloster von Sobrado dos Monxes ist im Doppelstockbett ein Lattenrost unerwartet zusammengebrochen.
Ich habe eine Hausstauballergie und hatte nur in zwei Unterkünften (Soto de Luiña - Alte Schule und Albergue San Martin - Altes Pfarrhaus, beides offizielle Herbergen) leichte Probleme. 
Im Durchschnitt schlafen ca. sechs Pilger in einem Raum, der meist vergleichbar mit einem Jugendherbergszimmer ist. Die größte und offenste Herberge, die wir kennengelernt haben, liegt in Baamonde mit ca. 40 Betten in einem großen Raum. Auch das war auszuhalten, bis Punkt fünf in der Früh ein polyphoner Handyalarm erklang. Nach und nach waren alle wach außer der Besitzer. Bis auf diese Ausnahme erschienen uns die PilgerInnen aber alle sehr rücksichtsvoll. 


Gemütlich, nicht? So sieht es in der öffentlichen Herberge von Requerada aus. 

Es gibt für 12€ pro PilgerIn private Herbergen, die ein wenig komfortabler sind. Ein weiterer riesengroßer Vorteil ist, dass sie im Vorfeld reserviert werden können. Viele Wanderer – zu wenig Betten, das kann zu großem Frust führen, denn dann muss man zur Not kilometerweit weitergehen. Und weitergehen geht mit diversen Blasen oder aufgeriebenen Fersen manchmal einfach nicht mehr. Eine Reservierung entspannt immens. 

Übernachtungsmöglichkeiten mit höherem Standard bieten vor allem die größeren Orte. Ein bisschen Privatsphäre, richtige Bettwäsche und ein eigenes Bad sind schon ab und an eine sehr angenehme Abwechslung. Für Villaviciosa hatten wir eine ***Hotel-Reservierung. Das Personal war sichtlich irritiert und irgendwie auch abweisend, als da zwei Pilgernde nach 37 km Fußmarsch ins schicke Foyer humpelten. Für uns war es eine wohltuende Ausnahme und nichts spricht gegen einen kleinen Luxus bei all den Strapazen, aber dennoch würde ich immer wieder die Refugios vorziehen. Sie gehören zum Pilgern wie Zelte zu Festivals. Innere Einkehr findet man im Übrigen beim kilometerlangen Laufen, aber auch durch die Gespräche mit anderen Peregrinos aus der ganzen Welt, die sich nachmittags in den Herbergen tummeln. Im Hotel ist man mit seinen Gedanken und Schmerzen allein.

Hervorheben will ich fünf Herbergen, die mit viel Liebe und Erfahrung geführt werden. 

Albergue Llanes Playa de Poo - Idylle und Strandnähe! 

Albergue Llanes Playa de Poo

  • privat, deutsch-französisch geführt
  • Küche, Frühstücksangebot, Garten, Trockner, Waschmaschine vorhanden
  • Strandnähe
  • 12€ pro Nacht / Reservierung möglich


Albergue San Martin: Altes Pfarrhaus - Liegt auf einem Hügel. Der beschwerliche Endspurt lohnt sich aber! 
Albergue San Martin: Altes Pfarrhaus

  • José (Herbergsvater) kümmert sich liebevoll um alle Gäste
  • Waschmaschine, Trockner, kleine und größere Schafsäle, Küche, Garten vorhanden
  • gegen Spende 


La Xana - Eng, aber getrennte Bäder und Licht/Steckdose am Bett. Das ist purer Luxus!
La Xana im Ort La Caridad

  • privat
  • m/w-Bad
  • Doppelstockbetten mit Lampe und Steckdose, WLAN, Café, Frühstücksangebot vorhanden
  • 12€ pro Nacht, Reservierung möglich 

O-Xistral - Schneeweiße Bettwäsche, ein wunderschönes, sauberes Haus mit Garten, tolles Essen. Pilger-Luxus für 12€.
Albergue O-Xistral

  • privat
  • sehr gutes Pilgermahl (10€) & Frühstück
  • extrem sauber
  • Gemeinschaftsraum, Garten, Küche vorhanden
  • 12€ pro Nacht, Reservierung möglich

Kloster von Sobrado dos Monxes - eine der schönsten Unterkünfte auf unserem Weg.
Kloster von Sobrado dos Monxes

  • Gäste schlafen in alten Ziegenställen (ca. 8 Betten pro Raum)
  • die Klosteranlage ist umwerfend schön, alles etwas klapprig, aber charmant ohne Ende
  • öffnet erst 16 Uhr seine Pforten
  • 6€ pro Nacht, keine Reservierung möglich, aber genug Platz 
  • Einmalbettlaken kann man sich in der anderen Herberge des Ortes (500m vom Marktplatz entfernt) kaufen.


Cimex lextularius - die Bettwanze, das Biest


Um die Gefahr von unliebsamen Bettwanzen zu minimieren, kann man in fast allen Herbergen für einen Euro ein Einmalbettlaken an der Rezeption erwerben. Wir haben es manchmal mehrmals benutzt. Es ist hell und Bettwanzen wären darauf deutlich erkennbar. Einige PilgerInnen haben Spannbettlaken im Gepäck. Aber konsequenterweise müssten diese dann häufig gewaschen werden, da sie jeden Abend auf eine neue Matratze gestülpt werden und Bettwanzen darauf viel eher eine Chance haben, mit auf Reisen genommen zu werden. 
Einen Tipp, den wir unterwegs erhalten haben, will ich an dieser Stelle noch loswerden: Bettwanzen sind nicht einfach irgendwann da, sondern der Wanderer schleppt sie unbewusst selbst an. Man kann die Gefahr verringern, wenn man seinen Rucksack oder Klamotten nicht im hohen Gras ablegt. Große Mülltüten schützen den Rucksack zum Beispiel, wenn man im Freien schläft. 

Das Corona-Virus, Bettwanzen, ekelige Toiletten, ich springe von einem Thema zum nächsten...  Eine Sache hatte ich noch versprochen: Die PDF-Vorlage für ein Pilgertagebuch, wie ich es genutzt habe. Hätte ich dieses damals nicht fleißig gefüllt, könnte ich heute gar nicht so viel erzählen :) 
Download hier: PDF-Vorlage für ein Pilgertagebuch.


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