Mittwoch, 13. Oktober 2021

Dresden, Leipzig, der Genuss und ich

Dresden_Fernsehturm, Schönfelder Hochland

Dresden_Elbtal, Plattform Schwebebahn, Loschwitz

Dresden_BRN 2015, Louisenstraße, Ecke Martin-Luther-Straße, Neustadt

Dresden_Elbwiesen, Sicht auf Marienbrücke und Altstadt, Messegelände

Dresden_Elbradweg, Waldschlösschen

Bilder, die man vielleicht schön findet, vielleicht auch nicht. Ich für meinen Teil fühle jedes von ihnen, weil Dresden ziemlich fest verankert in meinem Herzen sitzt. Kann man Verklärung nennen. Wird's wohl auch sein.

Leipzig dagegen ist eine Stadt, die ich lange überhaupt nicht interessant und eher sinnlos gehypt fand. Vielleicht, weil ich sie direkt vor der Tür hatte und manchmal sieht man ja bekanntlich den Wald vor lauter Bäumen, bla bla… 
Ich entdecke sie nun trotzdem, nicht für eine Woche, nicht für einen spontanen Tagesausflug, sondern jeden Tag aufs Neue, weil ich hier lebe. Seit nunmehr genau fünf Jahren. Zeit für ein Resümee und eine längst überfällige Liebeserklärung. 

Die grauen Herbsttage, die mich nach meinem Umzug 2016 erwarteten und schier endlos erschienen, haben es Leipzig nicht leicht gemacht, sich ansehnlich zu präsentieren. Vor allem aber waren es meine 01099-Arroganz* und die Erinnerungen an die „Heimat“ – ein mittlerweile hässlicher Begriff; Dresden, da wo ich herkomme; die Orte der Kindheit; die Straßen, die Wege, die Gebäude, auf und in denen ich lernte, fühlte und wuchs –, die dafür sorgten, dass ich wenig neutral und offen auf Leipzig blickte. Es fühlte sich an, als hätte ich das Lager gewechselt. Meine beste Freundin, die schöne, manchmal plumpe, manchmal unsichere und doch so liebenswürdige, habe ich eingetauscht gegen eine hippe, junge, selbstbewusste Freundin, die halt nicht ganz so viel Schönheit abbekommen hat. Schönheit ist ja auch nicht alles, ich weiß doch, vor allem wenn es unter der schick dekorierten Oberfläche so heftig bröckelt wie in Dresden. 

Ich blickte anfangs aus den Augen einer Touristin auf Leipzig, vielleicht um noch ein bisschen Abstand zu halten – ganz nach dem Motto: „Nett ist's hier, aber die Rückfahrkarte ist schon gebucht.“ War sie nicht. Ich blieb und näherte mich Schritt für Schritt an mein Leipzig an. So wie ich mich einst auch mit Dresden verbandelt hatte. Meine nahezu perfekte Stadt. Lange begleitete er mich: Der elende Vergleich mit dem ach so Vertrauten, ach so Bekannten, ach so Geschätzten, der den Blick auf das Neue so unendlich trübt.** 

Hinzu kam, dass sich nicht nur meine Anschrift änderte, sondern auch meine hoch angenehme Studienzeit endete und ich damit abrupt vor dem sogenannten Ernst des Lebens stand. Ich traf diesen besagten Ernst in Leipzig und kämpfte mindestens eineinhalb Jahre gegen ihn an. Ich glaubte lange, Leipzig würde mich unzufrieden machen, dabei war es mein Job und die quälende Frage „Quo Vadis?“ 

Es ging vorerst auf einen der Jakobswege (Camino del Norte) zum Pilgern. Der Abstand und das monotone Gehen taten übermäßig gut, sodass ich geerdet neu beginnen konnte und plötzlich öffnete sich mir die Stadt (eigentlich öffnete ich mich) und die Menschen (same here), die mich an ihrem Leipzig teilhaben ließen. Ich denke an rotweinschwere Abende im Piloten. An ausgedehnte Spaziergänge quer durch die Viertel der Stadt bei Wind und Wetter. An die ersten Touren zu neuen Lost Places. An guten Jazz im Noch Besser Leben. An den Moment, als ich die Karl-Heine-Straße in mein Herz schloss, während ich Udonnudeln mit verboten guter Erdnusssoße aß. Und ich erkannte, dass kulinarische Genüsse ganz viel mit Ankommen und Wohlfühlen zu tun haben. Leipzig hat da wirklich so einiges zu bieten und zwar in allen Himmelsrichtungen verteilt. In Leipzig arbeitet und wohnt man nämlich nicht in einem Stadtteil, sondern im Osten, Süden, Westen oder wie ich im Norden. Das habe ich nun auch verstanden.

Meine Top 5 für Speisen: 


Café Pendo ❤ 












und die Top 6 Cafés:


Draußen ists am schönsten im:

Was sollte man sonst noch in Leipzig tun? Einfach loslaufen – und zwar in alle Himmelsrichtungen  und die Augen offen halten. Detaillierte Tipps findet ihr mit Sicherheit im Lonely Planet (die denken nicht nur ans Essen 🙃). Dort wurde Leipzig gerade zum Top-Ziel in Deutschland gekürt. Da ist es wieder, dieses Hypezig :D 

Was bleibt mir zu sagen: Ich bin losgelaufen und angekommen. Ich habe Leipzig mittlerweile sehr sehr lieb und die Rückfahrkarte brauche ich längst nicht mehr. Manchmal blicke ich noch wehmütig in die sächsische Hauptstadt, aber jetzt vor allem, weil ich meine Freunde von dort und vielleicht auch ein bisschen die Unbeschwertheit der Studienzeit, als die Lebensplanung lediglich das nächste Semester umfasste, vermisse. 

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*01099 ist die Postleitzahl der Dresdner Neustadt, das Viertel, in dem ich vor meinem Umzug lebte. Komprimierte Altbauschönheit und alles was Mensch braucht in nächster Nähe. 

**Ein Auszug aus meiner Gedankenwelt der ersten Monate in Leipzig: Wo ist denn nun ein Café wie das Combo? Wo probt der Kneipenchor? Gibt es eine Verbrauchergemeinschaft und wenn ja, wann kann ich beitreten? Oh schade, im "Kleinen Haus" kommt heute was Cooles, aber 1,5 Stunden Anfahrt sind etwas arg lang. Könnten die Jazzfanatics nicht regelmäßig in Leipzig spielen? Gibts hier eigentlich Berge in der Nähe? Ich war wirklich lange nicht mehr im Thalia. Die Sachsenbrücke soll das Assieck von Leipzig sein? Die ist doch mitten im Wald. Wo ist der nächste Umsonstladen? Und warum ist hier alles so schrecklich verteilt??? 


Leipzig_Neues Rathaus, Martin-Luther-Ring, Zentrum Süd

Leipzig_Fockeberg mit Aussicht auf die Innenstadt, Südvorstadt

Leipzig_Karl-Liebknecht-Straße an der Feinkost, Südvorstadt 

Leipzig_Johannisplatz, Blick auf das MDR Hochhaus, Zentrum Südost

Leipzig_Zeppelinbrücke, Jahnallee, Zentrum West, Lindenau






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